Norwegen, Schweden oder doch Deutschland?
Wenn wir heute Diskussionen über Green IT betrachten, wird vorrangig von den beiden Faktoren Energieeinsparung und „grüner Strom“ gesprochen.
So gut und richtig die Absicht ist, den Stromverbrauch zu reduzieren, so muss man ehrlicherweise zugeben, dass sich hinter dem Begriff „grüner Strom“ häufig nur „bilanzierter“ grüner Strom verbirgt, also Strom, der beispielsweise aus alten norwegischen Wasserkraftwerken stammt und dadurch keinen echten ökologischen Zusatznutzen hat.
Staffan Reveman zeigt uns immer wieder den moralischen Finger – und dass der richtige Standort für ein Rechenzentrum unter den Voraussetzungen, die wir heute in Deutschland haben, eher in Norwegen oder Schweden liegt.
Aber selbst wenn wir in Deutschland ein Unternehmen hätten, das seinen eigenen Strom herstellt, selbst wenn wir nach 2038 ausschließlich „grünen Strom“ produzieren würden – dürften wir dann tatsächlich von „Green IT„ sprechen? Fehlt da nicht etwas? Prior1 definiert Nachhaltigkeit noch ganz anders – viel weiter gedacht!
Green IT: Sektorenkopplung als Schlüssel
Ein weiterer, absolut elementarer Schritt wäre die Einbindung von Rechenzentren in eine Kreislaufwirtschaft: Sektorenkopplung ist das Stichwort. Das Prinzip darf dabei nicht auf die Energiepotentiale reduziert werden, sondern muss auch die Materialwirtschaft mit einbeziehen. Eine USV Anlage muss nicht unbedingt nach zehn Jahren durch eine neue ersetzt werden. Was in der Elektromobilität so stark diskutiert wird – second use oder second life – könnte auch für eine USV Anlage gelten. Rohstoffe in Server- und Storagesystemen sollten umweltfreundlich erwirtschaftet, gehandelt und später auch recycelt werden – hier steht der Hersteller in der Verantwortung. Und der Kunde entscheidet, welche Serversysteme zum Einsatz kommen. Der Konsument hat die Macht. Aber kaum jemand setzt sich damit auseinander.
Warum bauen wir eigentlich keine DataCenter aus Holz? Holz brennt nicht. Klingt komisch, ist aber so. Holz isoliert, ist nicht leitend und ist ein nachwachsender Rohstoff! Der letzte Aspekt in der Kette ist dann die Suffizienz!
Brauchen wir eigentlich all diese Data Center?
Wir bauen riesige Rechenzentren in Frankfurt (wo man so langsam gar nicht mehr weiß, wo der Strom dafür herkommen soll), in Amsterdam (dort gibt es seit 2019 einen Baustopp) und an anderen Knotenpunkten der Welt, um Tausende bestehende Serverräume und Rechenzentren abzubauen und die dort verbauten Materialien zu verschrotten. Ist das suffizient? Es werden Millionen Tonnen an Beton und Kupfer für Neubauten verarbeitet, obwohl eigentlich schon alles vorhanden war.
Ja, das ist der große Trend zu Cloud und Colocation. Und diesen Trend werden wir nicht mehr aufhalten können. Im Gegenteil. Aber Suffizienz bedeutet auch, dass man nur beschafft, was wirklich notwendig ist. Und nur das betreibt, was wirklich notwendig ist, um in der Fachsprache zu bleiben.
Ich glaube nicht, dass die Branche scheinheilig ist. Aber wir sind überzeugt davon, dass ein nachhaltiges Denken unter den Begriffen Effizienz – Konsistenz – Suffizienz noch nicht vorhanden ist. Das soll bitte nicht als Kritik gewertet werden – eher als Denkanstoß. Und als Ziel für wirkliche (!) Green IT!