26. Juli 2022 Jonathan Roxlau

Edge Computing

Die IT-Branche ist vielleicht wie keine andere anfällig für komplizierte Akronyme und Fachbegriffe. Spätestens mit dem Aufkommen des Internet of Things (IoT) ist ein weiterer Begriff hinzugekommen: Edge Computing.

Definition von Edge Computing

Edge Computing bezeichnet die Datenverarbeitung am Netzwerkrand – „on the edge“. Daten werden also in unmittelbarer Nähe von ihrem Erstellungsort dezentral verarbeitet. Die Daten fallen hier bei Geräten – sogenannten Edge Devices – an. Ein Edge Device kann vieles sein: IoT-Sensoren, ein Auto, Überwachungskameras, Smartphones, ein Notebook oder gar eine Kaffeemaschine, die mit dem Netzwerk verbunden ist. Prost!

 

Nebel oder der Beginn und das Ende des Randes

Wo genau die Edge wirklich beginnt und wo sie endet ist hierbei gar nicht so eindeutig, wie man vielleicht denkt. Beim Edge Computing findet Datenverarbeitung entlang des Netzwerkes statt. Die Daten könnten schon auf dem Edge Device selber verarbeitet werden oder aber auch in unmittelbarer Nähe dessen auf einem Edge Server bzw. Edge Gateway. Das Edge Gateway kann allerdings selber wiederum als Edge Device beschrieben werden. Die Edge beschreibt also keinen physischen Ort. Werden Daten durch Edge Computing gefiltert und dann weiter an eine Cloudinfrastruktur gegeben, so spricht man auch von Fog Computing. Manchmal wird der Begriff aber auch Synonym für Edge Computing verwendet. Ohnehin sind die Grenzen fließend: Ein Server auf einem Fabrikgelände kann verschiedene Aufgaben übernehmen. Wenn er Beispielsweise virtuelle Maschinen mit Fileservern und Datenbankservern bereitstellt, spricht man nicht von Edge Computing. Überwacht der Server allerdings viele IIoT Devices kann das schon ganz anders aussehen.

 

Die Grenzen der Cloud

Die Verarbeitung von Daten am Rande des Netzwerkes hat einige Vorteile gegenüber dem in den letzten Jahren beliebt gewordenen Cloud-Computing-Paradigma. Beim Cloud Computing werden Daten über das Internet verarbeitet und nicht mehr direkt am eigenen Arbeitsplatz. In vielen Fällen ist das praktisch und hilfreich, da große eigene Investitionen in Server und die damit verbundene Infrastruktur umgangen werden können. Cloud Computing Lösungen bei den Platzhirschen der Datacenter-Branche wie Amazon, Microsoft, Google, IBM und Co. lassen sich nach Bedarf vergleichsweise einfach skalieren. Einfach mehr Speichplatz, Bandbreite oder Rechenleistung anmieten und schon hat das Unternehmen wieder eine Zeit lang Ruhe. In vielen Bereichen stößt nun die Alles-as-a-Service-Mentalität an ihre Grenzen. Die Cloud ist – ganz nüchtern betrachtet – eben auch nur eine Ansammlung an Computern, die jemand anderem gehören. Einige der Early Adopter von Cloud Infrastruktur lernten so schnell, dass auch auf der anderen Seite der Wolke nicht alles himmlisch ist. Denn auch Bandbreite kostet Geld.

 

 

 

Vorteile von Edge Computing

Ein Ziel von Edge Computing ist also die Verringerung der Kosten für Bandbreite.

Ein weiterer Vorteil von z.B. mehreren Mini-Rechenzentren auf dem eigenen Firmengelände ist das nun in einem Unternehmen anfallende Daten nicht zwangsläufig über das Internet in einem fremden Rechenzentrum landen. Das mag bei unwichtigeren Daten noch in Ordnung gewesen sein, spätestens mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sind Unternehmen aber zunehmend sensibler dafür, wo welche Ihrer Daten verarbeitet und gespeichert werden. Die Anbindung an das weltweite Informationsnetz selbst ist natürlich auch fehlerbehaftet. Beim Edge Computing könnten einige Datenverarbeitungsprozesse also auch dann weiterlaufen, wenn keine Internetverbindung besteht. Besonders interessant wird Edge Computing aber in Anwendungsbereichen, wo die klassische Cloudinfrastruktur schlicht und ergreifend an Ihre Grenzen kommt. Im Rahmen des Industrial Internet-of-Things (IIoT) können beispielsweise große Datenmengen anfallen, die ihre Nützlichkeit dann wieder verlieren, wenn die Auswertung zu lange dauert.

Die Datenübertragung und Verarbeitung in der Cloud wird zu einem unüberwindbaren Flaschenhals. Im Rahmen der Industrie 4.0 wird vorausschauende Instandhaltung immer wichtiger. Wenn Beispielsweise eine Maschine zum Schneiden von Leiterplatten kontinuierlich Daten ihrer Sensorik aufzeichnet, müssen diese annähernd in Echtzeit analysiert werden. Nur so kann eventuellen Ausfällen frühzeitig vorgebeugt werden. Das Senden dieser Daten an die Cloud allerdings verbraucht unnötig Bandbreite. Außerdem dauert die Verarbeitung zu lange. Bei Geräten die bei bestimmten Analyseergebnissen, wie Überhitzung, direkt abschalten sollten, kann dies natürlich nicht akzeptiert werden.

 

Nicht entweder oder

Die Verabeitung am Netzwerkrand ist ohne Zweifel praktisch. Also alles an den Rand? Nein, sicher nicht. Obwohl sowohl Edge Computing, als auch Fog Computing für einige Prozesse unabdingbar sein werden, bedeutet dies nicht das Ende der Cloud. On-Premise-, Private- und Public-Cloud-Elemente werden mit einer Vielzahl lokaler Rechenknoten verbunden. Die Verbindung der verschiedenen Modelle bietet die Möglichkeit, die Datenverarbeitung möglichst effizient zu gestalten.

Und natürlich hat auch die Unterbringung von Datenverarbeitung an der Netzwerkperipherie neue und altbekannte Herausforderungen im Gepäck:

  • Datenschutz: Natürlich bietet das Edge Computing-Konzept die Möglichkeit besonders schützenswerte Daten im eigenen Unternehmen zu belassen. Dies bedeutet aber nicht das Datenschutz nun ein Selbstläufer ist. Im Gegenteil: Auch Edge Devices haben DSGVO-Relevanz. Kümmert sich beim Cloud-Speicher noch der Cloud-Dienstleister und das Rechenzentrum, in dem seine Server ansässig sind, um die Planung, Dokumentierung und verlässliche Durchsetzung von technisch organisatorischen Maßnahmen (TOMs), fällt diese Bürde nun wieder zurück auf das Unternehmen. Es sei denn hier wird ein Dienstleister für diesen Zweck eingebunden. Bei einer Vielzahl an Speicherorten wird robuster Datenschutz nicht einfacher.
  • Sicherheit: Neben dem Datenschutz gibt es natürlich auch beim Edge Computing die physische Sicherheit der Geräte – keine einfache Aufgabe, wenn wir von hunderten vielleicht sogar tausenden industrial IoT-Geräten ausgehen.
  • Administrierung: Dort wo Edge Devices eingesetzt werden gibt es nicht immer Fachpersonal zur Administrierung und Überwachung. Dies macht die Benutzung von Edge Computing schnell zum zweischneidigen Schwert und kann viele Vorteile des Edge Computings relativieren.
  • Implementierung: Durch Edge Computing wird die Netzwerkinfrastruktur nicht übersichtlicher. Dies muss natürlich umgesetzt werden. Ob 5G Abdeckung sichergestellt werden muss oder die Verbindung mit Glasfaser von den Roboterarmen einer Werkshalle zu einem Edge Gateway durchgeführt werden muss. Die Umsetzung von Netzwerkinfrastruktur braucht immer auch Fachpersonal und verlässliche Partner.

 

Edge Computing sorgt dafür, dass wieder mehr Rechenleistung in ein Unternehmen wandert. Dadurch werden Fragen in Zukunft noch drängender, die bei einem zeitgemäß handelnden Unternehmen schon heute längst auf der Tagesordnung sind. Die IT-Branche ist naturgemäß eine energieintensive Industrie. Um so wichtiger ist es deshalb, auf nachhaltigere Lösungen zu setzen und möglichst energieeffizient zu planen. Die effektive Nutzung von Abwärme rückt dabei in den Fokus. Durch die Edge wird man in Zukunft eine ganz andere Standortdiskussion führen müssen, als das heute noch der Fall ist. Nachhaltigkeit und Qualität sind seit jeher Werte, die tief in der Identität von Prior1 verankert sind.

 

Wir beraten Sie gerne, damit auch Sie bestens für diese Zukunft gewappnet sind.